Das Thema Hochleistungscompounds besteht aus weit mehr als PEEK Kunststoff und Co. Jeder Konstrukteur, der hier nach neuen Wegen sucht um zum Beispiel Metall – sei aus Gewichts- oder Korrosionsgründen – zu ersetzen, muss sich im Klaren sein, dass er sich als innovativer Vorreiter auf „verschlungene Pfade voller Stolpersteine” begibt. Dieser Artikel soll aufzeigen, worauf so alles zu achten ist, damit Entwicklungsprojekte mit Hochleistungscompounds erfolgreich verlaufen.
Hochleistungscompound kann zweierlei bedeuten: Zum einen basiert er natürlich auf Werkstoffen, die zum Beispiel über eine außergewöhnlich lange/hohe Temperaturbeständigkeit verfügen oder für ein extrem langes Bauteilleben sorgen oder auch über ein ausgezeichnetes tribologisches Verhalten verfügen. Zum anderen steht Hochleistungscompound aber natürlich auch einfach dafür, dass er auch bei sehr geringen Investitionskosten im Stande ist, ein hohes Maß an Prozess- und Funktionssicherheit zu leisten – zum Beispiel über eine eng definierte Fließfähigkeit in der Verarbeitung oder eine spezifische thermische Leitfähigkeit in der Anwendung. Hochleistung kann also sehr wohl „im Großen” wie „im Kleinen” stattfinden.
Es gab Zeiten, da hörte man bei dem einen oder anderen Automobilzulieferer gerne Aussagen wie: „PEEK? Nein, das werden wir hier nie einsetzen.” Heute haben sich die Ansichten zu den Kunststoffen in der Automobilindustrie allerdings geändert. Zu den Vorteilen in puncto Leichtbauweise oder auch Funktionalität gesellt sich dabei vor allem der Riesenvorteil „Großserienproduktion” (wir reden hier über gut und gerne 50 oder auch 100 Millionen Bauteile pro Jahr): Hier punktet das Kunststoff-Spritzgießen hinsichtlich Werkzeugkosten deutlich gegenüber der Zerspanung oder dem Tiefziehen von Metallen.
Einen Fahrgastraum mit Teilen aus Kunststoff auszurüsten oder aufzurüsten ist das Pflicht- beziehungsweise Standardprogramm in puncto Werkstoffe, denn Kunststoffe im Auto sind normaler Alltag. Ob zum Beispiel Abdeckungen oder auch Schubladen – beides ist kunststoffseitig einfach zu lösen mit zum Beispiel „Massenkunststoffen” beziehungsweise Standardware wie PC/ABS oder Polypropylen. Wenn es dann eine Anforderungsstufe höher geht oder auch tribologische Eigenschaften in den Vordergrund rücken – wenn das Thema Temperatur oder eine zusätzliche Funktionalität wie zum Beispiel elektrische beziehungsweise thermische Leitfähigkeit mit ins Spiel kommt, beginnt sich bei den Werkstoffentwicklern schon die Spreu vom Weizen zu trennen. Wenn es dann noch weitergeht in die Bereiche Strukturmechanik oder Metallersatz wird die Luft sehr dünn. Ein gutes Beispiel dafür ist der Bereich Akkupacks/Lithiumbatterien für Elektrofahrzeuge: Mit einem carbonfaserverstärkten Verbundwerkstoff kann man hier das Gewicht um den Faktor zwei oder mehr reduzieren.
Wie auch immer die Automobile der Zukunft aussehen mögen – sie werden aller Wahrscheinlichkeit nach mehr Aktuatoren und damit auch mehr Sensorik und mehr Kontrollmöglichkeiten an Bord haben. Und sie werden definitiv über eine weiter verbesserte Leistungsdichte verfügen. Primär gar nicht, weil Werkstoffe wie PEEK Kunststoffe immer besser werden (was sie natürlich dennoch tun), sondern einfach weil die Leistung immer besser zu messen und zu kontrollieren sein wird. Die Folge: Aufgrund der präziseren Vorhersagbarkeit zum Beispiel in puncto Wärmeentwicklung werden nicht mehr so große Sicherheitspolster „draufgepackt” werden müssen wie bislang. PEEK Kunststoffe in der Automobilindustrie können von daher noch bedarfsgerechter – sowohl hinsichtlich ihrer technischen Belastbarkeit als auch ihrer daraus resultierender Produktlebensdauer – dimensioniert werden.
Früher hieß es oft seitens der Konstrukteure: „Das Bauteil muss mit 30 Prozent Glasfasern gefertigt werden. Lieber Materiallieferant: jetzt mach mal.” Und wenn’s dann im ersten Anlauf der Compoundierung noch nicht so richtig funktioniert hat, hat man es halt ein bisschen dicker gemacht – vielleicht noch zehn Rippen rein, bis es dann funktioniert hat. Heute ist das anders. Heute liegen primär exakte Anforderungsprofile mit detaillierten Funktionsbeschreibungen der Compounds vor und es wird mehr und mehr zur Aufgabe des Lieferanten:
a) selbständig das bedarfsgerechte Material auszuwählen,
b) bei der Fertigung beziehungsweise Werkzeugauslegung zu unterstützen (sprich zum Beispiel einen geeigneten Spritzgießer einzubeziehen oder sogar Füllsimulationen durchzuführen) und
c) auch schon mal zu bemustern.
Kurz gesagt: Der reine Materiallieferant hat weitestgehend ausgedient. Gefragt ist der Materialentwickler, der frühzeitig in die Entwicklung einbezogen wird und alle Konstruktionsschritte der Compoundierung begleiten kann.
Der Vorteil einer hohen Materialkompetenz seitens des Materialentwicklers zahlt sich an vielen Ecken und Enden eines Entwicklungsprojektes aus. Gerade auch was Einschätzungen bezüglich der etwaig erforderlichen Material-Entwicklungszeit betrifft. Wer hier über eine belastbare Expertise verfügt, kann realistisch einschätzen, welcher Materialbedarf kurzfristig aus dem „Baukasten” bedient werden kann und welcher Materialbedarf eine Neu-Entwicklung benötigt und ob diese im Rahmen des Projektrahmens tatsächlich realisierbar ist.
Eine Schwalbe macht ja bekanntlich noch keinen Sommer … Das gleiche gilt im übertragenden Sinne auch für PEEK Kunststoffe. Auch der vermeintlich beste Werkstoff, das herausragendste Material allein beschleunigt keinen Entwicklungsprozess oder ist ein Garant für das reibungslose Spritzgießen eines extrem wirtschaftlichen Hochleistungsbauteils. Es ist die Gesamtlösung, die am Ende des Tages ins Ziel führt. Für einen richtig guten Materialentwickler bedeutet das, dass er sein Material – und seinen Kunden – zu keiner Zeit „alleine” lässt. Dass er auch hinsichtlich der Verarbeitung berät, im Zweifelsfalle auch mal an der Maschine steht, die Werkzeuge kennt und bei Bedarf eine Materialoptimierung „auf Lager” hat.
Ab und zu kommen einem die besten Einfälle ja dann, wenn man schon mittendrin im Entwicklungsprozess steckt. „Plötzlich” kommt man auf die Idee, das man doch Laserbeschriftbarkeit bräuchte, oder das es schon gut wäre, wenn der Werkstoff auch schweißbar wäre oder das es durchaus Sinn ergeben würde, wenn in der kameraüberwachten Fertigung farblich unterschiedlich eingefärbte Kunststoffe zum Einsatz kämen. Wer hier einen reinen Materiallieferanten hat, der genauso so steif ist wie sein Material, ist schlecht beraten. Hier kommt es auf Hochleistung auch in puncto Flexibilität an, um auf Kursänderungen erfolgreich – sprich zielführend – reagieren zu können.
Hochleistungscompounds entfalten nur dann ihre volle Leistungsfähigkeit, wenn alle entscheidenden Parameter stimmig unter einem Hut zusammengeführt werden. Dafür sollte das Material idealerweise von einem Materialentwickler (statt von einem reinen Materiallieferanten) kommen, der alle Aspekte der Entwicklung und Produktion kennt und der auf dieser Basis präzise Empfehlungen aussprechen kann. Ganz einfach weil er sowohl über die Erfahrung und das Wissen/die Expertise als auch das entsprechende Produktportfolio verfügt, um Entwicklern und Konstrukteuren genau den Spielraum und die Investitionssicherheit bieten zu können, die sie benötigen. Kurz: von einem führenden Materialentwickler wie LEHVOSS.